Über die vierzehn Nothelfer

Not ist des Volkes treuester Begleiter durch die Jahrhunderte. Wohl wechselt ihr Name, heißt bald Hunger oder Krieg, Pest oder Feuer, Krankheit oder Tod. Immer aber ist und war sie da, brachte Sorge und Schmerz im Auf und Ab jahrhundertelangen Zeitgeschehens. Der Einzelne mag ihr zu entgehen suchen, mag gegen ihr Zugreifen sich sichern und versichern, aber auch der schlichteste Bauer, der einfachste Mensch weiß etwas davon, dass die harten Wegbiegungen des Lebens sich zum religiösen Erleben formen, dass Not Beten lehrt.

Das war im 14 Jahrhundert, als das Volk schwer an sozialen Misständen zu tragen hatte, als der gefürchtetste der apokalyptischen Reiter, die Pest durch die Lande jagte, als die Menschen zu Hunderten an der Pest starben. Damals hat man Ausschau gehalten nach Heiligen, denen man vorbehaltlos alle Not anvertrauen konnte. So entstand jene seltsame Gruppe von Heiligen, die als die Vierzehn Nothelfer weit in den Landen bekannt wurden, deren Verehrung heute noch tief im deutschen Volke wurzelt, deren herrlichstes Heiligtum in unserer Heimat der Prunkbau von Vierzehnheiligen ist.

Der heilige Cyriacus

Zu den Vierzehn Nothelfern gehört auch der heilige Cyriacus. Als das Volk ihn mit diesem Ehrentitel auszeichnete, war er schon längst kein Fremder oder Unbekannter mehr in deutschen Landen. Bereits 847 waren seine Gebeine nach Deutschland, nach Neuhausen bei Worms gekommen. Von hier aus strahlte seine Verehrung weit nach allen Richtungen aus: Wir finden seine Kirche beim Stift Geseke in Westfalen (952) sein Kloster in Gernrode (961); wir begegnen St. Cyriacus in Naumburg und Eschwege, in Braunschweig und Erfurt, zu Bamberg und im schwäbischen Württemberg. Auf den Wegen, die nach Lindenberg in der Rheinpfalz führten, traf man Pilger, die von weither kamen, um bei St. Cyriacus sich Trost und Hilfe zu erbitten.

Heilung von bösen Geistern

Wie jedem der heiligen Vierzehn war auch ihm nach der Vorstellung gläubiger Volkstümlichkeit von Gott ein Sonderrecht eingeräumt worden, das Vorrecht, „die Teufel zu binden“. Darum wandle sich das Volk an St. Cyriacus vor allem in Gewissensangst und Seelenleiden, in all jenen Nöten, wo der Betrug des bösen Feindes gänzlich in Erscheinung tritt. Aber nicht von ungefähr war unser Heiliger mit den bösen Mächten in Verbindung gebracht worden. Zweimal hatte er zu Lebzeiten damit zu tun, zweimal hat er durch sein Gebet Menschen, die von einem bösen Geist besessen waren, geheilt: die Tochter des Kaisers Diokletian und eine Tochter des persischen Königs Sapor. So erzählt wenigstens die Legende von ihm.

Macht über dämonischen Einfluss

Das Motiv der Teufelsaustreibung durch St. Cyriacus hatte auch schon früh die christliche Kunst aufgegriffen, die den Heiligen gerne darstellt, wie er den gefesselten Teufel an einer Kette neben sich herführt. So blieb durch Bild und Legende die Macht Cyriacus über den dämonischen Einfluss des Teufels dem frommen Volksbewusstsein nahe. Und für das Volk, das seit je das Anschaulich-SinnfäIIige liebt, war es ganz selbstverständlich, dass Cyriacus auch im Himmel droben Macht und Gewalt über die bösen Geister beibehalten habe.

Im Dienste der christlichen Religion

Unbekannter als die Verehrung blieb das geschichtliche Leben des heiligen Cyriacus. Im Kalender steht sein Name in nächster Nähe von Laurentius (10. August), dem bekannten Diakon der römischen Kirche. Diakon zu Rom war auch Cyriacus, so sagt ein altehrwürdiger Bericht aus dem 6. Jahrhundert. Diakon sein bedeutet aber nicht bloß heiliger Dienst am Altar, wie wir es heute beim (katholischen) feierlichen Hochamt kennen. Im christlichen Altertum, dem Cyriacus angehörte, war der Diakon engster und vertrautester Mitarbeiter „im Dienste der christlichen Religion und der Kirche“. Ihm oblag vor allem auch die Obsorge für die Armen. Wenn besagtem Bericht wir glauben, dann hatte Cyriacus echtestem Dienst christlicher Bruderliebe sich verschrieben. Er sorgte für die Hilflosesten unter den Armen, für die Gefangenen.

Bau der Diokletianbäder

Im alten Rom waren verschiedentlich Sträflinge zu Zwangsarbeiten eingesetzt worden. Davon weiß die Geschichte; sie weiß auch davon, dass Christen, als Staatsfeinde gebrandmarkt, zu Zwangsarbeiten verurteilt und abtransportiert worden sind. Darum ist es gar nicht so unwahrscheinlich, daß beim Bau der Diokletianthermen Strafgefangene verwendet wurden, dass unter ihnen sich auch Christen befanden. Jedenfalls bringt unser Bericht den Bau der Diokletianbäder in Beziehung zu gefangenen Christen. Und von Cyriacus sagt er, dass der Diakon in besonderer Weise sich derselben angenommen habe; dass er immer wieder sie aufmunterte, ihnen Trost zusprach, ihnen wohl auch das „Brot der Stärkung“, die Kommunion gebracht hat.

Daneben war ihm aber das Los der anderen Gefangenen keineswegs gleichgültig; ganz im Gegenteil. Er nahm an der Härte ihres Schicksals regsten Anteil, hatte immer auch für sie ein verstehendes Wort bereit. Gerade sie, die (heidnischen) Ausgestoßenen der Gesellschaft mochten dabei etwas davon verspüren, dass hier etwas Neues am Wirken war, weil eine Gesinnung ihnen entgegentrat, hoch erhaben über das Heldentum. Dieses Neue, das alle in Liebe umfasste, machte ihn aber auch verdächtig. Cyriacus wurde verhaftet. Einen Mann wie Cyriacus, der auch im Geringsten seiner Brüder Christus sah, machte Kerkerhaft nicht mürbe, er machte auch vor dem Richter aus seiner Zugehörigkeit zu Christus kein Hehl. Und so ward das Todesurteil über ihn gesprochen. Genauso vorbildlich wie er als Christ gelebt hatte, ist er auch gestorben; wahrscheinlich war es 304 oder 305.

Der geschichtliche Cyriacus

Der gelehrten Welt hat der geschichtliche Cyriacus schon viel Kopfzerbrechen bereitet. Man ist in Zweifel, ob der Cyriacus, der im 4. Jahrhundert zu Rom eine Kirche, die Cyriacus Kirche, stiftete der nämliche Cyriacus ist, der während der diokletianischen Verfolgung gemartert wurde, der beim 7. Meilenstein an der Via Ostia beigesetzt wurde, dessen Gedächtnistag schon 354 verzeichnet ist und der dem Papst Honorius I. (625-638) bei seiner Grabstätte eine Kirche errichten ließ. Aber lassen wir uns darüber keine grauen Haare wachsen. (L. Hecht)

Namenserklärung: Cyriacus: eine griechische Namensform, bedeutet: „dem Herrn gehörig“. Neben- und Kurzformen: Cyriak, Cyriakus, Zyriak(us), Ciliax, Zaches, Ziik(el), Zill, Zilles, Zilk(en). Patronate und Bräuche: Cyriacus ist der Schutzheilige des Kirchenstaates, des ehem. Fürstentums Castiglione, der Städte Ancona, Bottrop und Naumburg. Er wird angerufen gegen Besessenheit, böse Geister, Skrupel, Versuchungen; im Schwäbischen auch Viehpatron, dort hält er auch von den Feldern Nattern und schädliches Gewürm fern. Der Todestag des Heiligen ist nach dem Röm. Martyrologium der 16. März, sein Gedächtnistag aber ist der 8. August.