Liebe Gemeinde!
„Dankbarkeit macht das Leben erst reich“, sagte einst der bekannte Pfarrer und Theologe Dietrich Bonhoeffer. Auch wenn dieser Satz so in Poesiealben oder auf bunten Sprüche-Karten stehen könnte, steckt in ihm viel Wahres.
Denn es tut gut, wenn einem aufrichtig und ohne Kompromisse gedankt wird. Und andererseits ist es ein irgendwie befriedigendes Gefühl, einem anderen Menschen für etwas zu danken und diesem damit womöglich ein Lächeln zu entlocken.
„Alle eure Dinge tut in der Liebe“
I Kor 16,14
Aber Dankbarkeit ist auch eine Tugend, die gelernt und vor allem gepflegt werden muss. Oft erscheinen uns Menschen Dinge, die wir gewohnt sind, allzu schnell selbstverständlich. Oder es gibt doch noch ein winziges und hartnäckiges aber, das sich im Hinterkopf festkrallt und verhindert, Dankbarkeit zu zeigen. Dabei geschieht in dem Moment, in dem ich sie zeige, so viel. Ich zeige meinem Gegenüber, dass ich es auf Augenhöhe wahrnehme. Ich nehme die Person wahr; wer sie ist und was sie tut. Und im Dank drücke ich aus, dass mir all das herzlich wichtig ist. In diesem Moment wird egal, wo es womöglich noch Verbesserungspotenzial geben könnte.
Denn die Dankbarkeit ist kein Ort für Optimierung und Relativierung. Dankbarkeit ist ein Ausdruck von Liebe und dem Bewusstsein dafür, aufeinander angewiesen zu sein. Als Gesellschaft und als Kirche allzumal. Der Apostel Paulus schrieb in seinem ersten Brief an die Korinther einen inspirierenden Satz: „Alle eure Dinge tut in der Liebe“ (I Kor 16,14). Das ist in meinen Augen ein Ideal, nach dem die Kirche immer wieder streben sollte.
Menschen und die Dinge, die sie tun sind natürlich niemals perfekt – aber öfters als man denkt nah dran. Und dafür darf man danken. Oft, ausgiebig und selbstverständlich auch nachträglich.
Besonders freue ich mich daher auf das Erntedankfest. Denn es trägt den Anlass im Namen und ist der perfekte Ort, um gerade den Menschen herzlich zu danken, die mit ihrer Arbeit Unschätzbares leisten, was aber oft übersehen wird, weil es selbstverständlich erscheint. Gerade die Zeiten von Pandemie und Ukraine-Krieg haben ins gesellschaftliche Bewusstsein gerufen, was für eine unverzichtbare Stütze die Landwirtschaft ist.
Erntedank ist aber auch der Tag, an dem wir gemeinsam vor Gott stehen können, um ihn zu danken für das, was wir von ihm empfangen haben. Denn, das hat die wachsende Unsicherheit gezeigt, am Ende ist nichts selbstverständlich. Als Menschen bleibt uns nichts anderes über, als dem zu danken, von dem wir unser Leben geschenkt bekommen haben und für das zu bitten, woran es uns oder der Welt fehlt.
Aber ich wünsche uns allen auch, dass wir das Danken nicht nur auf Erntedank beschränkt lassen, sondern auch den Mut finden, es öfters in unserem Alltag zu wagen. Denn Dankbarkeit öffnet die Herzen und Augen für das Leben und schenkt Liebe und Frieden in ungewissen Zeiten.
Ihr Pastor Sven Voß